Aktuelles

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Das Atmen der anderen Welt
Nie wieder Krieg
60 Jahre Ostermarsch

Es ist nicht zufällig, dass seit über 60 Jahren Menschen heute am Ostersonntag aufstehen für Leben statt Zerstörung der Lebensgrundlagen.

Wir stehen hier für das Leben: So verschieden wir auch sind, was unser Alter, unser Geschlecht, unser Aussehen, unsere Kultur, Religion oder politische Überzeugung angeht. Uns verbindet an diesem Ostermorgen die Sehnsucht und das Engagement für das Leben in einer friedlichen Welt „Frieden schaffen ohne Waffen“. Das war das Motto 60 Jahre. Ist das heute angesichts der brutalen Realität von Kriegen mit unzähligen Toten ein unrealistischer Traum geworden? Kann Frieden aus Gewehrläufen und Waffen kommen?
Gerade weil immer schon auf Aggressionen und kriegerische Auseinandersetzungen mit Gewalt und Waffenlieferungen reagiert wurde, muss gebetsmühlenartig wiederholt werden: „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen!“ Hoffen, wo nichts zu hoffen ist, kann eine sinnvolle Lebenshaltung sein!

„Frieden schaffen ohne Waffen“ ist eine uralte Vision, ein Traum, eine Sehnsucht der Menschen. Wir wissen aus leidvoller Erfahrung, dass die Realität anders aussieht, aber ohne Visionen und Träume können Menschen nicht leben.
Ostern feiern Menschen, dass die Kräfte des Lebens stärker sind als die Mächte des Todes. Sie feiern ihre Hoffnung, dass das Leben stärker sein möge als Leiden und Unrecht.
Traditionell wird heute hier am Mahnmal für die Opfer von Krieg und Faschismus ein Kranz niedergelegt. Der Kranz ist Zeichen der Achtung und des Respekts vor den Opfern und zugleich ein Zeichen für das Leben und den Sieg des Lebens.
Die Opfer sind nicht vergessen, sie sind schmerzhaft gegenwärtig.
In Argentinien erinnern die Mütter der in der Militärdiktatur verschwundenen Töchter und Söhne jedes Jahr an ihre ermordeten Kinder, jeder Name wird vorgelesen und alle rufen „Presente“, er ist gegenwärtig, sie ist gegenwärtig.
Das Nicht-Vergessen der Opfer mahnt uns Lebende, das Leben als höchstes und schützenswertes Gut zu achten: Kein Mensch sollte auf den Wegen seines Lebens geopfert werden oder zum Opfer verführt werden. Weltweit aber werden Menschen nach wie vor zu Opfern: Sie werden geopfert aus politischen, wirtschaftlichen und religiösen Machtinteressen.

Daher brauchen wir Menschen, die Protestleute gegen den Tod und die Mächte des Todes sind und die aufstehen für das Leben.
Das Leben, das natürliche Leben des Menschen ist sein höchstes Gut. Der Erhalt des natürlichen Lebens ist die Voraussetzung aller anderen Güter. Deshalb können Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit niemals höheren Stellenwert haben als das Leben und der Schutz des Lebens.
Heute muss die Frage nach der Fortdauer des Lebens gestellt werden, des menschlichen und nicht-menschlichen Lebens und nach dem Überleben der Menschheit und der Biosphäre.
Leben statt Zerstörung bedeutet zu entdecken, dass jedes Leben mit anderem Leben in einem Netzwerk Leben verbunden ist: Leben entsteht und besteht aus Teilen und wechselseitiger Teilhabe.
Die verschiedenen Aspekte des Lebens Klima und Umwelt, Finanzen und Schulden, Krieg und Frieden sind gegenseitig voneinander abhängig. Wir können nicht länger separat mit ihnen umgehen, alles hängt mit allem zusammen.
Klimaerwärmung und Umweltzerstörung werden zu einer Frage von Leben und Tod. Der Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten die Gefahr von Bürgerkriegen, Armut und Hungersnöten vergrößern. Es wird Kriege um Wasser und Nahrung geben und vom Klima erzwungene Migration. Klimawandel und ein nuklearer Holocaust könnten einen Großteil des Lebens und alle Aussichten auf einen gerechten Frieden zerstören.
So gehören die aktuellen Herausforderungen Rüstungsexporte, Flüchtlingsfrage, Klimakatastrophe, Armut und Hunger im Netzwerk Leben zusammen.

Gibt es eine Ursache der Zerstörung der Lebensgrundlagen?    
Ökologische und soziale Krisen bedingen sich gegenseitig und haben eine gemeinsame Ursache und Wurzel: Die auf kurzfristigen Wachstum und Renditeziele ausgerichtete Wirtschaftsweise und ein konsum- und ressourcenintensiver Lebensstil.
Nicht nur wo geschossen wird, nicht nur wo es Tausende von Toten gibt, herrscht Krieg. Der Krieg wird mit und um Geld geführt.
Das Geld und die Steigerung des Gewinns werden zum Zweck aller Zwecke. „Es herrscht der Erde Gott, das Geld“ (Schiller) Der Glaube an die Macht des Geldes ist die einzige Religion, die noch nicht auf einen Atheisten gestoßen ist. Sichtbar zum Beispiel in der eklatanten Ungleichverteilung, wonach der Besitz der drei reichsten Menschen der Welt das Bruttosozialprodukt der 48 ärmsten Nationen der Welt übersteigt. Die Liebe zum Geld zerstört die Beziehungen der Menschen untereinander, indem Menschen ausgenutzt und ausgebeutet werden, anstatt solidarisch mit ihnen zu teilen.
Zu diesem fast allmächtigen System gehört es, dass es Opfer fordert, am Arbeitsplatz, in der Wohn- und Lebenswelt, in der Natur und in kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die Macht des zinstragenden Kapitals schickt Menschen „zum Töten und Getötet werden auf die Jagd“ (Karl Barth), so wird Geld zu Blut und Blut zu Geld.
Ziel des Wirtschaftens ist dann nicht der Schutz des Lebens und der natürlichen Lebensgrundlagen, sondern die Steigerung von Macht und Einfluss und die Steigerung des Profits.
Deshalb ist Deutschland der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt, deshalb sind Militärausgaben in Deutschland und in Krisenregionen der Erde gestiegen, deshalb gibt es Auslandseinsätze der Bundeswehr, deshalb wird mehr militärischer Präsenz und Intervention im Ausland das Wort geredet, während die Kluft zwischen Armen und Reichen immer größer wird.

Aber: Es gibt keinen Frieden ohne soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Deshalb haben vor Tausenden von Jahren die Propheten bekannt: Frieden und Gerechtigkeit werden sich küssen.
Frieden ist immer Ausdruck und Zeugnis gerechter sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse und schließt Frieden mit der Erde, Frieden in der Wirtschaft und Frieden zwischen den Völkern ein.
Wahrer Fortschritt besteht dann nicht in der Anhäufung von Konsum- und Produktionsgütern, nicht in der Gewinnmaximierung eines Unternehmens, sondern in der Neuverteilung dessen, was die Erde hervorbringt, im Maß der gerechten und gleichmäßigen Verteilung des bestehenden Reichtums und im maßvollen Gebrauch der natürlichen und menschlichen Ressourcen. Gegen soziales Unrecht und Verelendung kann man nicht militärisch mit Waffen vorgehen, denn es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit und keine Gerechtigkeit ohne Frieden.

„Eine andere Welt ist nicht nur möglich. An stillen Tagen können wir sie bereits atmen hören“, sagt die indische Schriftstellerin Arundhati Roy.
Wir können die andere Welt atmen hören in den Menschen, die tagtäglich im Kleinen in ihrer unmittelbaren Lebenswelt zerstörerischen Prozessen, Hass und Gewalt widerstehen. Es gibt viel mehr Menschen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen als öffentlich wahrgenommen wird.
Es gibt ein wachsendes Interesse an alternativen Lebensformen, an Modellen gemeinsamen Wirtschaftens und Lebens.

Menschen engagieren sich in Selbsthilfebewegungen, in Konsum- und Verbrauchergenossenschaften, in Umweltinitiativen. Sie hinterfragen unsere Konsum- und Warenwelt und versuchen einen einfachen Lebensstil zu führen.
  • Menschen versuchen Geld gerechter zu teilen in Gemeinschaftsbanken und Tauschringen.
  • Menschen arbeiten über die Grenzen der Religionen und Konfessionen hinweg in interreligiösen Gemeinschaften für Leben statt Zerstörung. Sie nehmen Flüchtlinge auf und widersetzen sich der Fremdenfeindlichkeit.
  • Es gibt Menschen, die ihr Geld nur bei Banken in ethisch reinen Anlagen investieren. Für sie sind alle Unternehmen Tabu, die mit Rüstung, Tierversuchen, Drogen oder Prostitution Geld verdienen.
Wer hier genauer hinsieht, der findet viel Ermutigendes, der entdeckt Gruppen und Menschen, die gemeinsam etwas bewirken und dem passiven hilflosen Hinnehmen widerstehen.
Wer hier genau hinsieht, der entdeckt Menschen und Gruppen, die versuchen mitten in unserer Gesellschaft eine Ökonomie des Lebens und des Teilens zu leben, denn nur eine Ökonomie des Lebens, des Teilens und der Teilhabe ist der Schlüssel für einen dauerhaften Frieden.

Wenn im Netzwerk Leben alles mit allem zusammen hängt, dann wirkt es sich auf das ganze System Leben aus, wenn jemand sich an irgendeiner Stelle für den Schutz des Lebens engagiert, da wo er im Alltag lebt und arbeitet. In jüdischen und muslimischen Traditionen wird das so beschrieben: „Wer einen Menschen rettet, das ist, als hätte er die ganze Menschheit gerettet. Wer einen Menschen tötet, das ist so, als hätte er die ganze Menschheit getötet.“

Eigener persönlicher Lebensstil und Veränderung politischer Strukturen und Systeme im Netzwerk Leben gehören unabdingbar zusammen: zu den strukturellen Veränderungen gehören die Forderungen des Ostermarsches.
  • Verbot von Rüstungsexporten und Konversion der Rüstungsproduktion „Schwerter zu Pflugscharen“
  • Erziehung zum Frieden: Schule ohne Bundeswehr
  • Atomausstieg durchsetzen und Atomwaffen abschaffen. Denn: Sogenannte friedliche und militärische Nutzung der Atomenergie sind siamesische Zwillinge.
  • Das Überleben der Menschen ist nur durch Abrüstung und Frieden möglich. Es gibt keinen Frieden auf dem Weg der Sicherheit.
Eine andere Welt ist nicht nur möglich. An stillen Tagen können wir sie bereits atmen hören, wenn Frieden und Gerechtigkeit sich küssen.
 

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